|
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Die '''zwanghafte Persönlichkeitsstörung oder obsessiv-kompulsives Syndrom''', die nicht mit Zwangsstörung gleichzusetzen ist, ist durch Rigidität, Gefühle von Zweifel, Perfektionismus, übertriebener Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit, ständigen Kontrollen, Halsstarrigkeit sowie große Vorsicht und Starrheit gekennzeichnet. Es können beharrliche und unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen. Die Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung wird auf etwa 1% geschätzt.
Unterschiede zu Zwangsstörungen sind, dass die Betroffenen keine Zwangshandlungen wie zwanghaftes Händewaschen ausführen, sich ihrer Störung mehr bewusst sind und nicht den Bezug zur Realität verlieren.
Beschreibung
Betroffene sind oft kaum lösbaren Konflikten ausgesetzt. Sie streben ständig nach Perfektion. Auf Grund ihrer selbstgesetzten übertrieben strengen und oft unerreichbaren Normen können sie jedoch ihre Aufgaben und Vorhaben nur schwer realisieren. Tendenziell sind sie mit eigenen Leistungen nie wirklich zufrieden. Eine übermäßige Beschäftigung mit Regeln, Effizienzfragen, unbedeutenden Details oder Verfahrensfragen stört ihre Übersicht. Dadurch kann die eigentliche Aktivität in den Hintergrund treten.
Zwanghafte Persönlichkeiten nutzen ihre Zeit schlecht. Wichtige Dinge werden bis zum letzten Augenblick aufgeschoben. Auch Freizeitaktivitäten müssen exakt geplant werden. Arbeit und Produktivität werden meist über Vergnügen und soziale Beziehungen gestellt.
Oft versuchen sie, ihr Tun logisch und rational zu rechtfertigen. Emotionales bzw. affektives Verhalten anderer wird nicht toleriert. Durch ihre ausgeprägte Unentschlossenheit werden Entscheidungen immer wieder hinausgeschoben, was Ausdruck einer übertriebenen Furcht vor Fehlern ist. Diese kann dazu führen, dass Aufträge und Vorhaben überhaupt nicht erledigt werden können.
Auch sind sie außerordentlich gewissenhaft und spielen gerne den "Moralapostel". Bei sich und anderen nehmen sie alles sehr genau, auf Kritik von Autoritätspersonen reagieren sie außergewöhnlich sensibel und verletzt. Betroffene neigen zu Depressionen und weisen oft Symptome anderer Zwangserkrankungen auf, wobei ein innerer Zusammenhang zwischen den Störungen nicht unmittelbar zu erkennen ist.
Die Fähigkeit zum Ausdruck von Gefühlen ist häufig vermindert. In zwischenmenschlichen Beziehungen wirken Betroffene dementsprechend kühl und rational. Die Anpassungsfähigkeit an die Gewohnheiten und Eigenheiten der Mitmenschen ist eingeschränkt. Vielmehr wird die eigene Prinzipien- und Normentreue auch von anderen erwartet.
Sie sind nicht in der Lage, sich von abgetragenen oder nutzlosen Dingen zu trennen, auch wenn sie keinen Erinnerungswert haben, und geizen mit Geld.
Es ist anzumerken, dass die zwanghafte Persönlichkeitsstörung sich deutlich von der Zwangsstörung unterscheidet und Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, die diese definieren, nicht einschließt. Obwohl die Verwendung der beiden ähnlichen Begriffe nahe legt, dass die beiden in Beziehung zueinander stehen, ist es nicht klar, dass sie das tun.
Häufig ist die zwanghafte Persönlichkeitsstörung Folge von unbehandeltem ADHS, da Betroffene ihre Desorganisiertheit häufig dadurch zu kompensieren versuchen, indem sie sich zur Ordentlichkeit und Strukturiertheit regelrech zwingen um mit ihrer Detail- und Planungsversessenheit Fehler und Misserfolge zu verhindern.
Klassifizierung nach ICD und DSM
ICD-10
F60.5 Anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung
Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:
- Übermäßiger Zweifel und Vorsicht
- Ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisation und Planen
- Perfektionismus, der die Fertigstellung von Aufgaben behindert
- Überzogene Gewissenhaftigkeit, Skrupelhaftigkeit und unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit unter Vernachlässigung von Vergnügen und zwischenmenschlichen Beziehungen
- Übermäßige Pedanterie und Befolgung von Konversation
- Rigidität und Eigensinn
- Unbegründetes Bestehen auf Unterordnung anderer unter eigene Gewohnheiten oder unbegründetes Zögern, Aufgaben zu delegieren
- Andrängen beharrlicher und unerwünschter Gedanken oder Impulse
Ein tief greifendes Muster von starker Beschäftigung mit Ordnung, Perfektion und psychischer sowie zwischenmenschlicher Kontrolle auf Kosten von Flexibilität, Aufgeschlossenheit und Effizienz. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und zeigt sich in verschiedenen Situationen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
- beschäftigt sich übermäßig mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisation oder Plänen, sodass der wesentliche Gesichtspunkt der Aktivität dabei verloren geht,
- zeigt einen Perfektionismus, der Aufgabenerfüllung behindert (z.B. kann ein Vorhaben nicht beendet werden, da die eigenen überstrengen Normen nicht erfüllt werden),
- verschreibt sich übermäßig der Arbeit und Produktivität unter Ausschluss von Freizeitaktivitäten und Freundschaften (nicht auf offentsichtliche finanzielle Notwendigkeit zurückzuführen),
- ist übermäßig gewissenhaft, skrupulös und rigide in Fragen der Moral, Ethik und Werten (nicht auf kulturelle oder religiöse Orientierung zurückzuführen),
- ist nicht in der Lage, verschlissene oder wertvolle Dinge wegzuwerfen, selbst wenn diese nicht einmal Gefühlswert besitzen,
- delegiert nur widerwillig Aufgaben an andere oder arbeitet nur ungern mit anderen zusammen, wenn diese nicht genau die eigene Arbeitsweise übernehmen,
- ist geizig sich selbst und anderen gegenüber; Geld muss im Hinblick auf befürchtete künftige Katastrophen gehortet werden,
- zeigt Rigidität und Halsstarrigkeit.
Literatur
|