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Morbus Hippel-Lindau

Das von Hippel-Lindau-Syndrom (VHL) ist eine erbliche Tumorerkrankung. Die Patienten entwickeln gutartige, geschwulstähnliche Gewebsveränderungen (Angiome) vornehmlich im Bereich der Netzhaut des Auges und des Kleinhirns. Im Zentralnervensystem|zentralen Nervensystem können darüber hinaus auch der Hirnstamm und das Rückenmark betroffen sein. Charakteristisch für das VHL-Syndrom ist es, das sich aus Vorformen des Bindegewebes Geschwulste entwickeln, die aus Gefäßknäuel bestehen. Viele Patienten haben auch Gewebsveränderungen im Bereich von Niere, Nebenniere und Bauchspeicheldrüse. Bei Männern kann der Nebenhoden betroffen sein. Diese Gewebsveränderungen können harmlos sein, sich aber auch zu bösartigen Tumoren entwickeln. Die Ursache der Erkrankung ist eine Genmutation. Da es sich bei dem VHL-Syndrom um eine genetische Erkrankung handelt, ist keine Heilung möglich. Die Behandlung der Patienten richtet sich nach dem Ort und der Ausprägung der Gewebsveränderungen. Am Auge werden die Netzhautgeschwulste mittels Laserstrahlen zerstört. Bösartige Geschwulste treten vor allem im Bereich der Niere auf und werden gemäß der Richtlinien der Behandlung dieser Erkrankung behandelt. Die Gewebsveränderungen im zentralen Nervensystem werden operiert, wenn durch deren Lage und Größe gefährliche Folgen für die Patienten eintreten können. Da die Krankheit schon frühzeitig erkannt werden kann, werden regelmäßige Kontrolluntersuchungen empfohlen.


Geschichte


Namensgeber der Erkrankung sind der Göttinger Opthalmologie|Opthalmologe Eugen von Hippel (1867-1939) und der schwedische Pathologe Arvid Lindau (1892-1958). Von Hippel beschrieb 1904 erstmalig Angiome des Auges, Lindau 1926 die Angiome im Rückenmark.

Inzidenz, Erbgang, Epidemiologie

Das VHL-Syndrom ist eine seltene autosomal-dominante Tumorerkrankung. Die Inzidenz wird zwischen 1:36000 - 1:45000 angegeben. Je nach Studie beträgt die Spontanmutationsrate bis zu 50%. Männer wie Frauen sind gleichermassen betroffen.

Pathogenese, Molekularbiologie und pathophysiologische Zusammenhänge


Das Gen für die Hippel-Lindau Erkrankung wurde im Bereich von Chromosom 3, Bande p25/26 lokalisiert. Es ist im Zellzyklus und der Gefäßneubildung involviert. Das HL-Gen besitzt drei Exons und kodiert für ein nukleäres Protein, das eine Bindung mit Proteinen der Elongin-Gruppe eingeht. Bei Patienten mit einer HL-Erkrankung wurde eine Vielzahl von Muationen entdeckt, die alle weitgehend gleichmäßig über das Gen verteilt sind. In verschiedenen Studien wurde festgestellt, das 35% der Mutationen Missense-Mutationen sind und etwa 75% der Patienten haben eine Keimbahnmutation!

Pathologie


Bei den Angiomen des HL-Syndroms handelt es sich vorwiegend um kapilläre Angiom|Hämangiome und Hämangioblastome. Als Hämangiom bezeichnet man gutartige, geschwulstähnliche Neubildungen mit einer Ausprägung als Blutgefäßknäuel. Sie treten meist als Hamartome auf, sind also keine Tumoren im engeren Sinne. Die Hämangiome entstehen nicht, wie der Name nahe legt aus Blutgefäßen, sondern aus Bindegewebsvorläufern und sie entwickeln sich zu Strukturen, die man am einfachsten als Blutgefäßknäuel oder Blutschwämme bezeichnen kann. Die Blutschwämme, die sich im Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark der VHL-Patienten finden sind Hämangioblastome. Mit diesem Begriff bezeichnet man echte Neubildungen, die aus gewucherten Kapillarsprossen bestehen.
  • Die retinalen Hämangiome können eine mehr angiomatöse oder mehr fibrosierende Ausprägung haben. Dies ist für die Prognose der Erkrankung in Bezug auf das Auge sehr wichtig. Bei mehr angiomatösen Hämangiomen überwiegt der Gefäßanteil der Gewebsveränderung, was häufiger zu massiven Einblutungen in das Auge mit einer plötzlichen vollständigen Erblindung führen kann. Fibrosierende Hämangiome machen eher eine Traktionsveränderung der Netzhaut. Wenn die Hämangiome in der Peripherie der Netzhaut gelegen sind, machen sie häufig keinerlei Beschwerden. Liegen sie dagegen zentral, kann bald eine Visusminderung auftreten. Wenn die Gefäßknäuel Kurzschlüsse zwischen Venen und Arterien ausbilden, kann es zum Austreten von Gewebsflüssigkeit im Auge kommen mit entsprechenden Folgen (Druckerhöhung).
  • Die cerebellären Hämangioblastome

Krankheitsbild


Die Kern- oder Kardinalsymptome des VHL-Syndroms sind das Auftreten von Hämangiomen der Retina und Hämangioblastomen des Kleinhirns.


Das klinische Spektrum der Erkrankung umfasst neben den Affektionen von Augen und Kleinhirn das Auftreten von Hämangioblastomen im Bereich des Hirnstamms und des Rückenmarkes. Sodann werden Nierencellkarzinome, Pankreaszysten, Phäochromozytome und eine Polyzythämie beobachtet.

  • Die Hämangioblastome des ZNS präsentieren sich in ca 60% der Fälle im Kleinhirn, in 13% der Fälle im Rückenmark und in 4% der Fälle im Hirnstamm. Die Läsionen im Kleinhirn werden im Schnitt bei Patienten im Alter von 29 Jahren klinisch auffällig und im Fall von Rückenmarksläsionen im Alter von 34 Jahren.

Als diagnostisches Kriterium gilt der Nachweis von beidseitigen oder multiplen retinalen Hämangiomen oder der Nachweis multipler Hämangioblastome der hinteren Schädelgrube.

Aufgrund klinischer Verläufe und Unterschieden in der Phänotyp-Genotyp-Korrelation unterscheidet man zwei Formen des VHL-Syndroms. Patienten mit einem Phäochromozytom ordnet man dem VHL Typ I zu, Patienten ohne Phäochromozytom ordnet man dem VHL-Typ II zu.


Zum Verlauf der Erkrankung werden sehr unterschiedliche Angaben gemacht. Die retinalen Angiome werden im Durchschnitt bei den Patienten im Alter von 25 aufgedeckt. Die Netzhautveränderungen können, sofern sie rechtzeitig entdeckt werden gut behandelt werden. Die intrazerebralen und spinalen Hämangioblastome können vor allem im Bereich des Hirnstammes zu gefährlichen Blutungen führen.

Genotyp-Phänotyp-Korrelation


Bei dem HL-Typ I wurden in über 50% der untersuchten Fälle Mikrodeletionen und Nonsensemutationen entdeckt. Beim HL-Typ II fanden sich in fast 100% der untersuchten Patienten Missense-Mutationen.

Diagnose


Die Diagnose VHL-Syndrom wird beim Vorhandensein von kapillären Hämangioblastomen (gefäßreichen Tumoren) im ZNS oder der Netzhaut des Auges gestellt. Weitere zum VHL-Komplex gehörende Tumore (Phäochromozytom, Nierenzellkarzinom) oder eine entsprechende Familienanamnese treten hinzu. In der Kernspintomografie stellen sich die Hämangioblastome als Kontrastmittelaufnehmende Knötchen dar.

Therapie


Therapie ist die chirurgische Entfernung der Tumore.

Quellen


Bücher

  • ''' Prof. Dr. med. Hartmut P.H. Neumann, Medizinische Universitätsklinik, D-Freiburg im Breisgau ''' (Hrsg.): Verein für von der von Hippel-Lindau (VHL) Erkrankung betroffene Familien e.V. DIE VON HIPPEL-LINDAU ERKRANKUNG - Leitfaden für Patienten und Ärzte Freiburg, Meppen November 2002. ISBN 3-8311-4690-X.
  • Olaf '''Rieß und Ludger Schöls''' (Hrsg.): ''Neurogenetik. Molekulargenetische Diagnostik neurologischer Erkrankungen.'' Springer. Berlin 1998. ISBN 3-540-63874-1.
  • Lewis P. Rowland (Ed.): ''Merrits Textbook of Neurology.'' Williams and Wilkins. Baltimore 1995. ISBN 0-683-07400-8.
  • Mark S. Greenberg: ''Handbook of Neurosurgery.'' Lakeland 1997. ISBN 0-9626384-5-5.
  • Bruce O. Berg (Ed.): ''Principles of Child Neurology.'' McGraw-Hill. New York 1996. ISBN 0-07-005193-3.
  • Raymond D. Adams (Ed.): ''Principles of Neurology.'' McGraw-Hill. New York 1997. ISBN 0-07-067439-6.
  • T. Strachan und A.P. Read (Ed.): ''Molekulare Humangenetik.'' Spektrum. Heidelberg 1996. ISBN 3-8274-0039-2.
  • Thomas Herdegen (Hrsg.): ''Klinische Neurobiologie.'' Spektrum. Heidelberg 1997. ISBN 3-8274-0069-4.
  • Wolfgang Hennig: ''Genetik.'' Springer. Berlin 2002. ISBN 3-540-42958-1.
  • Josef Dudel (Hrsg.): ''Neurowissenschaften.'' Springer. Berlin 1996. ISBN 3-540-61328-5.
  • John G. Nicholls (Hrsg.): ''Vom Neuron zum Gehirn.'' Gustav Fischer. Stuttgart 1995. ISBN 3-437-20517-X.

Fachartikel

  • Constans JP et. al. (1986): ''Posterior fossa hemangioblastomas. Surg. Neurol. 25:269-275.
  • Hough DM et. al. (1994): ''Pancreatic lesions in von Hippel-Lindau diseas: Prevalence, clinical significance and CT findings. AM J Radiol 162:1091-1094.
  • Maher ER et. al. (1991): ''Familial reanl cell carcinoma. Clinical and molecular genetic aspects. Brit J Cancer 63:176-179.
  • Maher ER et. al. (1991): ''Von Hippel-Lindau disease: a genetic study.'' J Med Genet 28:443-447.
  • Melmon KL et al. (1964): ''Lindaus disease: Review of the literature and study of a large kindred.'' Am J Med 36:595-617.
  • Neumann HPH et. al. (1991): ''Clustering of features of Hippel-Lindau syndrom.'' Lancet 337: 1062-1054.
  • Neumann HPH et. al. (1995): ''Von Hippel Lindau Syndrom.'' Brain Pathol 5:181-193.
  • Whaley JM et. al. (1994): ''Germline mutations in the von Hippel-Lindau aberrations in sporadic renal cell carcinoma.'' Am J Hum Genet 55:1092-1103.



Web-Links


Allgemein: http://www.neuroguide.com/

Verein für von der von Hippel-Lindau (VHL) Erkrankung betroffene Familien e.V.: http://www.hippel-lindau.de/

VHL Family Alliance Homepage: http://www.vhl.org/

von Hippel - Lindau (VHL) Europe: http://www.vhl-europa.org/

Deutsche Gesellschaft für Neurogenetik: http://www.med.uni-giessen.de/genetik/dgng.html

Society for Neuroscience: http://www.sfn.org/

The Hereditary Disease Foundation: http://www.hdfoundation.org/

Online Mendelian Inheritance in Man: http://www3.ncbi.nlm.nih.gov/Onim/

Medline: http://www.ncbi.nlm.nih./PubMed/medline.html



Gesundheitshinweis

Kategorie:Neurologie
Kategorie:Erbkrankheit

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Die Informationen dienen der allgemeinen Weiterbildung. Sie können in keinem Falle die ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung ersetzen.
Bei gesundheitlichen Beschwerden sollten Sie ärztlichen Rat einholen.

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